Sie denken, Pflanzen können ohne Erde nicht überleben? Falsch gedacht! Mit Hydroponik können Pflanzen auch ohne festes Substrat wachsen und gedeihen.

Was ist Hydroponik?

Ob und wie Pflanzen ohne Erde auskommen, darüber haben sich Menschen schon seit den Anfängen der Raumfahrt Gedanken gemacht. Sie alle sind zu einem einstimmigen Ergebnis gekommen: Ja! Denn Pflanzen benötigen zum Überleben viele Faktoren, aber Erde gehört nicht dazu. Es sind letztlich die Nährstoffe darin, die die Pflanze benötigt.

In gesunder Erde werden diese Nährstoffe von Mikroorganismen bereitgestellt. In Hydroponik übergeht man diesen Schritt und gibt der Wurzel eine auf sie abgestimmte Nährlösung, im Prinzip eine chronische Düngung.

Hydroponische Systeme lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen:

  • in substratlose Unterwasserkulturen (DWC engl: deep water culture)
  • und auf Substrat fixierte Systeme.

Pflanze ohne Erde

In DWC stehen die Pflanzen am Strunk fixiert in einem lichtdichten Behälter, welcher mit einer Nährlösung befüllt ist. Die Nährlösung muss unter ständiger Belüftung gehalten werden, damit sich dort keine anaeroben und schädlichen Bakterien ansiedeln und die Pflanze genügend Sauerstoff an den Wurzeln bekommt. Der Behälter, in dem der Wurzelteil der Pflanze bleibt, muss lichtdicht sein, damit das Wurzelwachstum nicht gestört wird. Trifft Licht auf pflanzliche Stammzellen, triggert das die Synthese bestimmter Wachstumsfaktoren, die die Sprossbildung anregen und das Wurzelwachstum hemmen.

Als Low-Budget-Variante zum Nachbau eignen sich schwarze Baueimer aus dem Baumarkt und zugeschnittene PVC-Deckel mit einem zentralen Loch für den Strunk des vorgezogenen Sprösslings, der mit Schaumstoff umwickelt dort hineinwachsen kann. Für die Belüftung eignet sich pro Eimer ein Luftstein an eine elektrische Pumpe angeschlossen, beides aus dem Aquarienzubehör. In kleineren Behältern bis 20L ist es durch die Blasendynamik im Medium nicht nötig für eine zusätzliche Wasserzirkulation zu sorgen.

Setzling DWC
Setzling bereit zum umtopfen in DWC © CHRISTOPHER STASS

Hat man das Setup zusammen und ist bereit, die ersten DWC-Pflanzen zu kultivieren, kann das Wachstum losgehen. Dabei treiben die Wurzeln frei in der belüfteten und sich bewegenden Nährlösung umher und gedeihen. Bei großen oder ertragreichen Pflanzengattungen können hierbei Komplikationen wegen zu hoher Traglast und fehlendem Wurzelhalt auftreten.

Wurzelballen eines Salatkopfes im Hydroponik-System
Wurzelballen eines Salatkopfes im Hydroponik-System © CHRISTOPHER STASS

Daher wird zunehmend auf die Kombination aus Hydroponik und festem Halt gesetzt, sodass auch schwere Früchte an der Pflanze wachsen können. Hierzu werden feste Substrate gewählt, die bewässert werden und gleichzeitig als Verankerung der Pflanzenwurzel dient.

Hydroponiksubstrate

Fixierende Hydroponiksubstrate sind mannigfaltig, denn sie müssen nur wenige Kriterien erfüllen:

  • Sie müssen luftdurchlässig und möglichst frei von Nährstoffen sein,
  • eine gute Kapillarwirkung zeigen,
  • hohe Wasser- und Nährstofftragfähigkeit besitzen
  • und einen nicht zu extremen natürlichen pH-Wert aufweisen (ca 4,5-6,5), der sich ausgleichen lässt.

Eine bekannte, topflose Variante sind Steinwollblöcke. Für Töpfe sind die bekanntesten Substrate Kokosfasern, clay pebbles (Tonkugeln), Perlit, Vermiculit oder auch Sand.

Bewässerung

Meist wird das Substrat per Tröpfchenbewässerung durch ein Schlauchsystem mit angeschlossenem Tank bewässert. Bei „normaler“ Bewässerung muss auf einen ausreichenden Drain (Abfluss) der Nährlösung geachtet werden. Lässt man zu wenig oder gar nichts abfließen, konzentriert sich die Nährlösung im Laufe der Zeit im Substrat und versalzt es. Daher sollte das Substrat so lange gewässert werden, bis ordentlich Volumen abgeflossen ist.

Andere Varianten bewässern durch eine Flutung des Substrats von unten. Da sich im Substrat durch Flutung aber ebenfalls eine Salzschicht auf Höhe des Wasserspiegels bildet, ist es nicht recycelbar.

Um das Bewässerungssystem und den Tank frei von Mikroorganismen zu halten, bietet sich als präventives Additiv ein oxidierendes Mittel in der Nährlösung an. Stark verdünnt eignen sich hierfür hypochlorische Säure oder Wasserstoffperoxid. Doch auch ohne Oxidationsmittel und egal von welcher Richtung das Wasser kommt, fixierte Hydroponiksysteme haben ein enormes Ertragspotential.

Nährlösung

Denn vergleichbar mit einer Mastgans bekommt die Pflanze ein auf sie abgestimmtes Futter in Form einer Nährlösung. Diese muss alle Nährstoffe in ausreichender Konzentration und in gelöster Form enthalten, die für ein gesundes Pflanzenwachstum nötig sind.

Dabei wird im Allgemeinen zwischen Makro- und Mikronährstoffen unterschieden.

Makronährstoffe

Makronährstoffe sind die essenziellen Nährstoffe, die der Pflanze in großer Menge zur Verfügung stehen müssen. Hieraus wird unter anderem die Architektur der Pflanzenzellen hergestellt.

Mikronährstoffe

Die Mikronährstoffe sind auch essenzielle Nährstoffe, die von Pflanzen aber nur in ganz geringer Menge benötigt werden. Solche finden primär Anwendung in regulatorischen Prozessen, wie zum Beispiel in der Aufrechterhaltung des Stoffwechsels.

Erst wenn diese Nährstoffe, meist als Salz aggregiert, sich in Wasser zu Ionen lösen, können sie von der Pflanze verwertet werden. Diese ionisierten Nährstoffe (besonders Calcium) können sich aber untereinander wieder akkumulieren und unlösliche Verbindungen und Ablagerungen bilden. Deshalb werden die Calciumanteile bewusst getrennt von allen Phosphaten und Sulfaten gehalten.

Für Hobbygärtner und kleinere Anzuchten gibt es fertige Düngesets speziell für hydroponische Bedürfnisse, auch hier sollte die Nährlösung aber frisch angesetzt werden. In größeren Mengen lassen sich diese mit chemischem Grundlagenwissen selbst aus diversen Mineralsalz-Verbindungen herstellen.

pH-Wert

Damit die Pflanzen überhaupt verschiedene Nährstoffe aufnehmen können, benötigen sie für jeden Nährstoff einen bestimmten pH-Wert. In natürlichem Umfeld und in Symbiose mit den erwähnten Bodenmikroorganismen produzieren die Wurzeln daher ein flexibles Mikroklima, das die Aufnahme der benötigten Nährstoffe aufrechterhält.

Da die Beihilfe der Mikroorganismen in Hydroponik bewusst umgangen wird, ist ein optimaler Spagat zwischen der Aufrechterhaltung des Nährstoffflusses wichtig. Hierfür ist ein pH-Wert nötig, bei dem alle Arten von Nährstoff Kanälen mehr oder minder aktiv sind. Das hierfür notwendige Gleichgewicht liegt bei einem pH-Wert von ca. 6 (5,5-6,5) und lässt sich durch die Zugabe von Säure einstellen.

EC-Wert

Damit die Pflanze nicht überdüngt wird, ist zudem die Überwachung der Nährstoffkonzentration wichtig. Die Konzentration kann mittels geeigneter Messgeräte oder über die Messung des EC-Werts ermittelt werden. Dieser wird in Mikrosiemens (µS) angegeben und beschreibt die Konzentrationen an allen gelösten Ionen im Medium.

Durch Monitoring des EC- und pH-Wert lassen sich hydroponische Systeme gut überwachen und gegebenenfalls justieren. Eine Dokumentation dieser Werte kann zudem wertvolle Erkenntnisse liefern. Beispielsweise lässt sich der Nährstoffverbrauch der Pflanze in der Differenz des EC-Werts von Nährlösung zu Drain abschätzen.

Das Saatgut wird bei Bedarf in Anzuchtboxen auf losem Substrat vorgezogen, bis eine starke Primärwurzel ausgebildet ist. Nach einigen Tagen kann die Jungpflanze dann dank des losen Substrats leicht ohne Verletzungen in Hydroponik umgesiedelt werden.

Glücklicherweise ist ein solcher Salzstress leicht erkennbar. So können auf Blättern Salzablagerungen von getrockneten Guttationstropfen auftreten.

Getrocknete Salzablagerungen in Blattachseln
Getrocknete Salzablagerungen in Blattachseln © CHRISTOPHER STASS

Hydroponik Nachteile

Leider gibt es in der Hydroponik auch Nachteile, die bisher nicht oder nur teils gelöst sind.

Der Drain, also die Abrinn-Nährlösung, die bei der Bewässerung unten aus dem Substrat herauslaufen muss, kann nicht ohne Weiteres wiederverwertet werden. Er besitzt eine andere Konzentration an Nährstoffen, als die Nährlösung, die oben hereingelaufen ist und kann somit schädlich für die Pflanzen werden, da es zu Lockouts (Nährstoffausschlüssen) kommen kann.

Nutzbar kann sie aber in stark verdünnter Form als Zugabe für das Gießwasser aller Zimmerpflanzen in Erde gemacht werden. Im Garten sollte die Anwendung allerdings vermieden werden, da das mikrobielle Bodenleben darunter leidet. Auch das Substrat ist wegen der Durchwurzelung manchmal nur einmal nutzbar und kann zudem wegen des hohen Salzgehaltes nicht ohne Weiteres entsorgt oder wiederverwendet werden, da es umweltschädlich wirkt. Wir empfehlen an dieser Stelle, beide Produkte gesondert zu entsorgen.

Aquaponik

Die Lösung hinter diesem System legt eine biologische Lösung nahe: Fischabwasser statt Nährsalze. Tatsächlich haben Versuche in DWC, bezogen auf die Pflanzenfitness, erstaunliche Ergebnisse gezeigt, wenn eine Nährlösung mit Aquarienabwasser statt normalem Wasser genutzt wurde. Es wird angenommen, dass der Großteil des probiotischen Effekts auf Zweierlei zurückzuführen ist. Zum einen auf Wechselwirkungen mit organischen Stoffen wie Huminsäuren, zum anderen durch symbiotische Beziehungen mit Mikroorganismen aus den Fäkalien.

Alles in allem hat Hydroponik das Potenzial, komplette Farmen indoor oder in einer Growbox wachsen zu lassen. Dies ist primär bei ungünstigem Klima und/oder bei sensitiven Pflanzen von Vorteil.

Autor: Christopher Stass – Garten Eden Growshop
Garten Eden ist ein Growshop im Süden Deutschlands. Neben dem Offline- und Onlinegeschäft betreibt Garten Eden einen Instagram- und einen Youtube-Kanal, auf dem wir versuchen, mit Interviews, How-To-Texten und News zu aktuellen Ereignissen Mehrwert für die Community der Gärtner zu schaffen. Über einen Besuch freuen wir uns.

Gartentipp des Tages!

Dagmar von Gartentipps.com

Seit über 14 Jahren ist Dagmar Dittfeld als Online-Redakteurin für Gartentipps.com aktiv. Auf dem Land aufgewachsen, weiß sie die Vorzüge eines Selbstversorger-Gartens auch heute noch zu schätzen. Ihre ganz besondere Leidenschaft gilt der Gestaltung von Garten, Balkon und Terrasse. Mit ihren Ideen zum Dekorieren, Do-It-Yourself und Upcycling hat Dagmar schon viele Leser zum Nachmachen inspiriert.

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